Finanzpolitik noch nicht auf Klimakurs
Der aktuelle Sustainable Financial Regulations and Central Bank Activities (SUREG) Report des WWF zeigt, dass die Klimafinanzpolitik bisher nur in wenigen Bereichen Klimarisiken umfassend einbezieht und der Fokus bisher auf Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen und nicht auf langfristigen Veränderungen liegt. Insgesamt wird die grüne und soziale Finanzwende noch nicht ausreichend vorangetrieben.
Der SUREG Report analysiert die Klimafinanzpolitik in den Bereichen Bankenaufsicht, Zentralbanken und Versicherungen in 47 Ländern und zielt darauf ab, die Integration von Umwelt- und Sozialaspekten in die Finanzgesetzgebung, Aufsichtserwartungen und Geldpolitik zu bewerten.
Bankenaufsicht
Der erste Teil des Berichts analysiert den Reifegrad der regulatorischen Anforderungen an Banken in Bezug auf Klima-, Umwelt- und Sozialrisiken und deren Auswirkungen auf den Finanzsektor. Unter den Indikatoren finden sich beispielsweise die Bewertung der doppelten Wesentlichkeit, Klimaziele, Stresstests oder Initiativen zur Datenqualität.
Der WFF konnte feststellen, dass 17 von 47 Ländern über eine gute Bankenaufsicht in Bezug auf Klimarisiken verfügen. Vor allem europäische Länder sind in diesem Bereich führend. Im Gegensatz dazu weist die Bankenaufsicht in Bezug auf soziale Risiken, zu denen Menschenrechtsverletzungen, Arbeitsfragen und negative Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften zählen, in allen Ländern Defizite auf. Einen relativ hohen Standard der Bankenaufsicht mit mehr als 50% Übereinstimmung mit den SUSREG-Kriterien erreichen nur zwei Länder: Brasilien und Deutschland.
Im Detail stellt der Bericht fest, dass nur drei Länder (Malaysia, Spanien und Thailand) von Banken verlangen, dass sie ihre Klimaziele auf wissenschaftlich fundierte Daten stützen, sich über den neuesten Stand der Klimawissenschaft auf dem Laufenden halten und darüber hinaus ihre Portfolios an den Zielen des Pariser Abkommens ausrichten. Nur ein Land (Frankreich) hat zudem verbindlich eingeführt, dass Banken den Schutz von Biodiversität und der Natur in ihre Unternehmensziele aufnehmen müssen. Ein weiterer Kritikpunkt ist das Fehlen von nachhaltigen und sozialen Risiken in den Mindestkapitalanforderungen für Banken: Hier gibt es bisher in keinem Land konkrete Mechanismen, immerhin diskutieren die Aufsichtsbehörden in der EU, Italien und Ungarn über eine mögliche Umsetzung. Erwähnenswert ist auch, dass bisher keine Regulierungs- oder Aufsichtsbehörde Klimarisiken in die Berechnung von Liquiditätskennziffern einbezieht. Klimarisiken könnten einen Einfluss auf die Liquiditätsabflüsse oder den Wert von Liquiditätspuffern haben und damit die Liquiditätsdeckungsquote erhöhen.
Zentralbanken
In diesem Abschnitt werden verschiedene Maßnahmen bewertet, die Zentralbanken ergreifen können, um Klima-, Umwelt- und Sozialrisiken im Einklang mit ihren Hauptaufgaben der Gewährleistung von Geld- und Preisstabilität zu begegnen. Zu den Indikatoren gehören beispielsweise Mindestreserveanforderungen, Übergangs- oder Ausstiegspläne und das Taxonomy Alignment.
So wurde beispielsweise festgestellt, dass nur acht Länder (darunter Deutschland) versuchen, Klimarisiken fest in die Geldpolitik der Zentralbanken zu integrieren. Auch soziale Anforderungen haben die Zentralbanken nur unzureichend in ihre Geldpolitik und Zentralbankaktivitäten integriert. Immerhin zeichnen sich Länder wie Deutschland und Italien durch relativ deutliche Fortschritte in diesen Bereichen aus. (*)
Nichtdestotrotz gibt es auch positive Erkenntnisse. So wurde beispielsweise festgestellt, dass bereits 24 Zentralbanken ihre Methodik zur Integration von Umwelt- und Sozialaspekten in das Management von Währungsreserven veröffentlicht haben. Anders sieht es bei den aktiven Anreizen aus. So haben nur 7 Zentralbanken subventionierte Kredite oder bevorzugte Refinanzierungslinien, die auf Umwelt- und Sozialaspekten basieren. Eine weitere Methode zur Schaffung von Anreizen für grüne Vermögenswerte wurde bisher noch nicht angewandt: So könnten Zentralbanken die Mindestreserveanforderungen anpassen, indem sie niedrigere Mindestreservesätze für grüne Aktiva und höhere für braune Aktiva festlegen.
Empfehlungen
Basierend auf den Ergebnissen der Studie hat der WWF verschiedene Empfehlungen zur Integration von Klima- und Sozialaspekten in die Finanzpolitik veröffentlicht. Unter anderem wird gefordert, dass Aufsichtsbehörden eigene Übergangspläne für eine kohlenstoffarme und naturverträgliche Wirtschaft veröffentlichen und sich auf bestehende Aufsichtsinstrumente konzentrieren, anstatt auf perfekte Daten und Modelle zu warten. Darüber hinaus sollten die Zentralbanken ihre geldpolitischen Instrumente nutzen, um Umwelt- und soziale Risiken zu adressieren, während sie gleichzeitig die Sektoren mit den höchsten Emissionen aus ihren Portfolios streichen. Außerdem fordert der WWF höhere Eigenkapitalanforderungen bei der Kreditvergabe, bei Investitionen und bei Versicherungen für Unternehmen, die umweltschädigende Tätigkeiten ausüben.
Fazit: Der Bericht stellt einen wegweisenden länderübergreifenden Vergleich verschiedener Aufsichtsbehörden und Zentralbanken dar. Auffallend ist, dass trotz des durchwachsenen Resümees vor allem Deutschland positive Ergebnisse vorweisen kann und damit in einigen Bereichen eine Vorreiterrolle einnimmt. Internationale finanzpolitische Entscheidungen könnten sich in Zukunft durchaus an den hier geltenden Regelungen und Instrumenten orientieren.
(*) Es ist zu beachten, dass die Bewertung der Zentralbanken des Eurosystems eine Kumulation der Finanzpolitik der EZB und der nationalen Umsetzungen der Mitgliedsländer darstellt. Daher sind die Zentralbanken des Eurosystems typischerweise auf oder über dem Niveau der Zentralbanken der Europäischen Union angesiedelt.