ENTWICKLUNG DER NACHHALTIGKEIT IM BANKENSEKTOR: ZWISCHEN RÜCKSCHRITTEN UND HERAUSFORDERUNGEN
Die jüngsten Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit bei Finanzinstituten sind geprägt von widersprüchlichen Trends. Während die europäischen Banken ihre Bemühungen zur Reduzierung von CO2-Emissionen fortsetzen, wie beispielsweise durch die Unterstützung der „European Green Deal“ Initiative, hat die jüngste politische Entwicklung in den USA zu einer Verschiebung der Prioritäten geführt. Die neue US-Regierung hat eine stärkere Fokussierung auf fossile Energien angekündigt, was sich bereits in den Entscheidungen amerikanischer Großbanken widerspiegelt. Die großen amerikanischen Bankhäuser haben sich aus der Net-Zero Banking Alliance (NZBA) zurückgezogen. Diese Entwicklungen werfen Fragen auf, wie sich die globale Finanzbranche in Zukunft zum Thema Nachhaltigkeit positionieren wird. Bisher konzentrieren sich die Austritte auf Amerika. Welche Rolle werden europäische Banken zukünftig spielen? Werden Initiativen wie die „Principles for Responsible Banking“ der UNEP FI ausreichend Wirkung zeigen? In diesem Artikel beleuchten wir die aktuelle Situation und ihre Auswirkungen auf den Bankensektor.
Austritt der US-Banken aus der NZBA:
Der Austritt der US-Banken aus der Net-Zero Banking Alliance (NZBA) markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der globalen Nachhaltigkeitsbewegung. Zu den ausgetretenen Großbanken gehören Goldman Sachs, Wells Fargo, Citigroup, Bank of America, Morgan Stanley und JPMorgan Chase. Die Gründe für diesen Schritt sind vielfältig: Die skeptische Haltung der neuen US-Regierung gegenüber Klimazielen ist ein wesentlicher Faktor. Hinzu kommen rechtliche Bedenken, da die Mitgliedschaft in der NZBA potenziell gegen Kartellrecht verstoßen könnte, sollte sie zu Finanzierungsbeschränkungen für Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie führen. Einige Banken betonen auch, dass sie ihre Klimaziele unabhängig verfolgen wollen, ohne an die NZBA gebunden zu sein.
Der Ausstieg dieser Banken hat erhebliche Auswirkungen auf die globale Finanzlandschaft. Vor dem Austritt der US-Banken lag der Anteil der NZBA-Institute an den globalen Bank-Assets bei über 40%. Nach dem Ausstieg ist dieser Anteil auf etwa 35% gesunken. Dieser Rückgang unterstreicht den erheblichen Einfluss, den die großen US-Banken auf die globale Finanzlandschaft haben, und zeigt die Herausforderungen, denen sich Klimainitiativen im Bankensektor gegenübersehen. Es ist wichtig zu beachten, dass dieser Trend bereits vor dem Amtsantritt der neuen US-Regierung begann, was auf vorauseilenden Gehorsam an die erwarteten politischen Veränderungen hindeutet.
Reaktionen europäischer Banken:
Europäische Banken zeigen eine differenzierte Reaktion auf den Rückzug ihrer US-amerikanischen Pendants aus der NZBA. Während einige Institute ebenfalls einen Austritt in Erwägung ziehen, haben sich große deutsche Banken, insbesondere die Deutsche Bank und die Commerzbank, vorerst dazu bekannt, in der Allianz zu verbleiben. Gleichwohl beobachten auch diese Institute die Situation sehr genau. Die Commerzbank bekräftigte ihr Bekenntnis zur Klimaneutralität bis 2050 und sieht „aktuell keine Veranlassung“ für einen Austritt. Auch die Deutsche Bank hält an ihren Nachhaltigkeitszielen fest, betont jedoch, dass sie das politische, regulatorische und rechtliche Umfeld sehr genau beobachtet. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass innerhalb Europas unterschiedliche Geschwindigkeiten und Schwerpunkte in der Nachhaltigkeitsstrategie existieren. So haben beispielsweise schwedische Pensionsfonds bereits frühzeitig begonnen, fossile Brennstoffe aus ihren Portfolios zu entfernen. Einige skandinavische Banken, wie beispielsweise die „Nordea“ oder die „Danske Bank“, gelten als Vorreiter in diesem Bereich und haben sich ambitionierte Ziele für grüne Kredite und nachhaltige Investitionen gesetzt. Es bestehen Bedenken, dass der Austritt der US-Banken insgesamt zu einer Abschwächung der Klimaziele im europäischen Bankensektor führen könnte.
Herausforderungen im Bereich Sustainable Finance:
Trotz des Engagements vieler Finanzinstitute für Nachhaltigkeit bestehen weiterhin erhebliche Herausforderungen im Bereich Sustainable Finance. Ein zentrales Problem ist die mangelnde Festlegung von Netto-Null-Zielen durch viele Banken. Darüber hinaus bestehen Schwierigkeiten bei der effektiven Integration von ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) in Geschäfts- und Risikomodelle. So werden beispielsweise soziale Standards in Lieferketten oft nur unzureichend berücksichtigt oder die Finanzierung von Kohlekraftwerken erfolgt weiterhin ohne adäquate Risikobetrachtung. Die unzureichende Berücksichtigung von Klimarisiken, insbesondere im Hinblick auf Unternehmen, die in der fossilen Energieerzeugung tätig sind, stellt eine weitere Herausforderung dar. Nicht zuletzt mangelt es häufig an klaren Richtlinien und ausreichender Transparenz bezüglich der ökologischen und sozialen Auswirkungen von Finanzprodukten und -dienstleistungen. Zusätzlich stellen die komplexen Anforderungen der EU-Taxonomie-Verordnung eine Herausforderung dar, da sie eine genaue Klassifizierung nachhaltiger Aktivitäten erfordert, was für viele Banken eine erhebliche Umstellung bedeutet. Allerdings gibt es auch positive Beispiele, wie etwa die GLS Bank die beispielsweise Projekte in den Bereichen erneuerbare Energien, ökologischer Landbau und nachhaltiges Wohnen finanziert. Diese Faktoren behindern die effektive Umsetzung nachhaltiger Finanzstrategien und unterstreichen die Notwendigkeit für Finanzinstitute, ihre Bemühungen in diesem Bereich zu verstärken.
Ausblick und Fazit:
Der Gegenwind, dem die ESG-Bewegung derzeit ausgesetzt ist, verdeutlicht, wie entscheidend eine klare Positionierung von Banken im Bereich Nachhaltigkeit ist. Es zeigt sich, wer wirklich aus strategischer Überzeugung für Sustainable Finance arbeitet und wer sich kurzfristigen politischen oder wirtschaftlichen Strömungen beugt. Um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, müssen Banken jetzt konkrete geschäftspolitische Schritte zur Unterstützung des Klimaschutzes ergreifen – beispielsweise durch die Entwicklung neuer nachhaltiger Finanzprodukte, die Stärkung der ESG-Kompetenz ihrer Mitarbeiter oder die transparente Kommunikation ihrer Nachhaltigkeitsleistungen. Konkret könnten Banken beispielsweise spezielle Programme für Gebäudesanierungen auflegen oder die Förderung nachhaltiger Technologien verstärken. Eine proaktive Nachhaltigkeitsstrategie ist nicht nur eine Frage der gesellschaftlichen Verantwortung, sondern bietet Banken auch erhebliche Chancen, sich als Vorreiter zu positionieren und langfristige Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Durch die frühzeitige Anpassung an nachhaltige Standards können Banken zudem Risiken minimieren und von den wachsenden Märkten für grüne Finanzprodukte profitieren. Die Entwicklungen in den USA könnten sich auch auf Deutschland und Europa auswirken, insbesondere im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit und Kapitalflüsse. Daher ist es umso wichtiger, dass europäische Banken ihre Nachhaltigkeitsbemühungen fortsetzen und ausbauen.
CURENTIS AG Standpunkt:
Die CURENTIS AG ist davon überzeugt, dass die jüngsten Entwicklungen im globalen Finanzsektor die Notwendigkeit für europäische Finanzinstitute unterstreichen, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen fortzusetzen und zu verstärken. Ungeachtet des Gegenwinds, dem die ESG-Bewegung in einigen Regionen begegnet, sollten Banken die Chancen nutzen, die eine proaktive Nachhaltigkeitsstrategie bietet. Die CURENTIS AG unterstützt Finanzinstitute bei der Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Strategien. Dies beinhaltet unter anderem auch die regulatorische Umsetzung des CSRD-Reportings und der Taxonomie-Verordnung, um sicherzustellen, dass sie nicht nur den aktuellen Anforderungen entsprechen, sondern auch langfristig eine Vorreiterrolle im Bereich Sustainable Finance einnehmen.
Zum Autor:
Philipp Ehren ist seit 2021 Senior Consultant der CURENTIS AG. Er ist unser Spezialist für Sustainable Finance und verfügt über mehrjährige Erfahrungen aus der Projektarbeit im Risikomanagement mit dem Schwerpunkt auf IT-Anwendungen. Darüber hinaus ist er ausgebildeter Projektmanager.