ESG Risiken – Neue Methoden und alte Probleme
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat am 18. Januar eine neue Konsultation zu den Anforderungen an Banken zur Identifizierung, Messung, Steuerung und Überwachung von ESG-Risiken angekündigt. Ein mittlerweile altbekanntes Thema mit neuen Leitlinien – dass aber eine Überarbeitung der Methodik und Zielsetzung von ESG-Risiken notwendig ist, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Europäischen Zentralbank: Demnach verfolgen nur 10% der untersuchten Banken eine Netto-Null-Strategie bis 2050 in ihrer Kreditvergabe, so dass ganze 90% eine fehlgeleitete Kreditvergabe mit erhöhtem Transformationsrisiko aufweisen. Transformationsrisiken, die durch ein geeignetes Risikomanagement durchaus vermieden werden können.
EBA Konsultation
Der bereits spürbare Klimawandel mit seinen Folgen für Umwelt und Gesellschaft stellt die Wirtschaft vor erhebliche Herausforderungen, die sich insbesondere auf den Finanzsektor auswirken. Dabei können das Risikoprofil und das Geschäftsmodell von Institutionen erheblich von ESG-Risiken betroffen sein, die sich vor allem in Transitions- und physischen Risiken manifestieren. Um die Sicherheit und Solidität von Unternehmen kurz-, mittel- und langfristig zu gewährleisten, ist daher ein angemessenes und ganzheitliches Risikomanagement unerlässlich.
So plant die EBA neue Leitlinien einschließlich Verfahren und Methodik zur Vermeidung der beschriebenen Klimarisiken. Diese sollen Pläne zur Bewältigung der Risiken enthalten, die sich aus dem Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft in der EU ergeben. Die Leitlinien sollen Unternehmen dazu anregen, proaktiv technologische und geschäftliche Veränderungen vorzunehmen, die durch den Klimawandel und die Anpassung an den Klimawandel ausgelöst werden.
Zu den Anforderungen an Banken im Rahmen der vorgeschlagenen Leitlinien gehören die Durchführung regelmäßiger Wesentlichkeitsbeurteilungen von ESG-Risiken, die Sicherstellung der Fähigkeit zur Identifizierung von Risiken durch Datenprozesse sowie die Integration von ESG-Risiken in das reguläre Risikomanagement. Dabei sollen stets alle Auswirkungen der von der EBA definierten Risikokategorien berücksichtigt werden, einschließlich Kredit-, Markt-, operationeller, Reputations-, Liquiditäts-, Geschäftsmodell- und Konzentrationsrisiken. Darüber hinaus würden die nun vorgelegten Leitlinien die Unternehmen verpflichten, Übergangspläne auf der Grundlage der Eigenkapitalrichtlinie (Capital Requirements Directive, CRD) zu entwickeln. Diese sieht in Artikel 76 vor, dass Unternehmen spezifische Pläne zur Überwachung und zum Management der finanziellen Risiken entwickeln müssen, die sich aus der Anpassung an den Klimawandel und dem Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft ergeben.
Nach Angaben der EBA wurden die neuen Leitlinien im Einklang mit der veröffentlichten Roadmap für nachhaltiges Finanzwesen entwickelt. In der Ende 2022 veröffentlichten Roadmap werden die Prioritäten und Pläne der EBA in den Bereichen nachhaltiges Finanzwesen sowie Unterstützung und Überwachung der Integration von ESG-Risiken in das Bankenregelwerk dargelegt. Der Konsultationsprozess zu den neuen Leitlinien der EBA läuft noch bis zum 18. April.
EZB Studie
Parallel zur Entwicklung von Leitlinien zur verstärkten Integration von ESG-Risiken in die Unternehmensprozesse veröffentlichte die EZB im Januar 2024 eine Studie, die die potenziellen Risiken im Bankensektor im Zusammenhang mit den EU-Klimazielen untersucht. Für die Studie quantifizierte die EZB die Übergangsrisiken in den Kreditportfolios von 95 Banken im Euroraum, indem sie die Abweichungen zwischen den Produktionsprognosen und den Dekarbonisierungszielen der Unternehmen in den Portfolios der Banken maß und bewertete. Untersucht wurden Unternehmen aus sechs wichtigen kohlenstoffintensiven Sektoren mit erhöhtem Transformationsrisiko: Energie, Automobil, Öl und Gas, Stahl, Kohle und Zement. Diese Sektoren sind für rund 70% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.
Die Studie zeigt, dass ein Großteil der untersuchten Banken (90%) ihren Kreditvergabeprozess noch nicht an die Nettonull-Ziele bis 2050 angepasst haben, was ihre Anfälligkeit für Transitionsrisiken deutlich erhöht. Die EZB weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Transitionsrisiken vor allem durch größere Kredite an schlecht ausgerichtete Unternehmen entstehen und ein erhebliches Risiko für die betroffenen Banken darstellen. Dabei ist das durchschnittliche Risikoniveau für fehlgeleitete Unternehmen mehr als doppelt so hoch wie für Unternehmen, die im Einklang mit den EU-Klimazielen wirtschaften. Darüber hinaus identifizierte die EZB ein erhöhtes Risiko bei Krediten an Unternehmen, die zu langsam aus kohlenstoffintensiven Produktionen aussteigen oder beim Ausbau erneuerbarer Energien hinterherhinken. Neben den Transitionsrisiken weist die Studie auch auf potenzielle Reputationsrisiken hin, von denen rund 70 Prozent der Banken betroffen sind.
Fazit
Obwohl ESG-Risiken keineswegs neu sind und bereits in verschiedenen Regelwerken berücksichtigt werden, erscheinen die derzeitigen Verfahren und Anwendungen zur Integration dieser Risiken in das Risikomanagement unzureichend. Zu diesem Schluss kommt auch die EZB, die insbesondere auf das Fehlen geeigneter Prozesse im Kreditvergabeprozess hinweist. Es verwundert daher nicht, dass die EBA neue Leitlinien zur Integration von ESG-Risiken entwickelt, die zunächst bis zum 18. April zur Konsultation gestellt werden.
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Über den Autor: Fabian Brandt ist seit 2023 bei der CURENTIS AG beschäftigt. Während seiner Tätigkeit in Unternehmensberatungen im Bereich CSR-Reporting und Sustainable Banking konnte er umfangreiche Projekterfahrung sammeln. Darüber hinaus hat er sich auf das Sustainable Finance mit Fokus auf die EU-Taxonomie spezialisiert.