Der Wechselkurs des Rubels ist stabil hoch. Sind Sanktionen wirkungslos?
Nach der russischen Invasion in der Ukraine verhängten die westlichen Länder mehrere Sanktionspakete gegen Russland, die die russische Wirtschaft schwächen sollten. Die Sanktionen haben die Einfuhr zahlreicher technologischer Güter nach Russland verboten und viele Unternehmen beenden aus Befürchtung vor Sanktionen oder Reputationsverlusten freiwillig die Zusammenarbeit mit Russland.
Als einer der wichtigsten Indikatoren für den Zustand einer Wirtschaft gilt der Wechselkurs der nationalen Währung. Betrachtet man den Wechselkurs des Rubels zum Euro ergibt sich eine überraschende Situation: Vor dem Krieg in der Ukraine schwankte der Rubelkurs zwischen 85 und 90 Rubel pro Euro, zu Beginn des Konflikts fiel der Kurs stark auf 148 Rubel pro Euro. Danach ging der Kurs allmählich zurück und schwankt seit mehreren Monaten um 60 Rubel pro Euro. Betrachtet man nur den Wechselkurs des Rubels, kommt man zu der absurden Schlussfolgerung, dass die russische Wirtschaft seit Beginn des Krieges in der Ukraine gestärkt wurde.
Der Wechselkurs einer nationalen Währung kann jedoch nur dann ein Indikator für den Zustand der Wirtschaft sein, wenn die Währung frei austauschbar ist. Dies ist in Russland nicht der Fall. Zum Beispiel gibt es in Russland immer noch Beschränkungen für Barabhebungen von Dollar und Euro. Die meisten großen russischen Banken sind in Europa und den USA mit Sanktionen belegt. Außerdem zahlt der europäische Gaskäufer das Gas nach einem System, bei dem die Zahlung in Euro oder Dollar von der Empfängerbank an der Moskauer Börse vollständig in Rubel umgetauscht wird. All diese Beschränkungen tragen nicht dazu bei, dass Währungen frei umgetauscht werden können.
Auch vor dem Krieg in der Ukraine war die russische Wirtschaft rohstoffbasiert. Russland verkaufte Öl, Gas, Kohle, Gold usw. und erhielt dafür Dollar und Euro. Mit diesem Geld wurden in Europa, den USA und anderen Ländern Hightech-Produkte gekauft. Die Sanktionen gegen Russland und der freiwillige Rückzug westlicher Unternehmen aus dem russischen Markt betreffen vor allem High-Tech-Güter und -Ausrüstungen. Mit anderen Worten: Russland liefert weiterhin Ressourcen und erhält dafür Euro und Dollar, kann diese aber aufgrund von Sanktionen und Sanktionsrisiken nicht für Technologiegüter ausgeben.
Der Strukturwandel der russischen Wirtschaft lässt sich anhand der jüngsten Bilanz der Ein- und Ausfuhren in Russland nachvollziehen: Die Ausfuhren aus den westlichen Ländern nach Russland sind im Allgemeinen stark zurückgegangen, während die Einfuhren in westliche Länder aus Russland gestiegen sind.
Das Beispiel der russisch-deutschen Handelsbeziehungen verdeutlicht diese Entwicklung: Seit Kriegsbeginn sind die Ausfuhren aus Deutschland nach Russland um 51 % zurückgegangen. In Geldwerten ausgedrückt, stiegen die Ausfuhren jedoch aufgrund der Rohstoffpreise um 38 %. Insgesamt ist der Handel zwischen Russland und Deutschland nur um 3 % zurückgegangen. Auch andere europäische Länder reduzierten ihre Lieferungen an Russland erheblich, aber da nicht alle Länder in der Lage waren, schnell auf russische Ressourcen zu verzichten, ging das Handelsvolumen insgesamt nicht so stark zurück bzw. stieg sogar an.
Aufgrund des Verkaufs teurerer Rohstoffe verfügt Russland über viele Dollar und Euro, aber wenig freie Rubel, in die sie umgetauscht werden können. In einer solchen Situation ist es nicht überraschend, dass der Rubel an Wert gewinnt.
Die Situation ändert sich schnell und wird sich in Abhängigkeit von der weiteren Sanktionspolitik und vor allem vom Verlauf des Krieges in der Ukraine und dem politischen Kurs in Russland entwickeln. Eines ist jedoch sicher: Man kann nicht sagen, dass der Rubelkurs den tatsächlichen Zustand der russischen Wirtschaft unter den Sanktionen widerspiegelt. Der Rubelkurs spiegelt vor allem die Tatsache wider, dass es in einer halbgeschlossenen Wirtschaft viel einfacher ist, den Wechselkurs zu regulieren als in einem freien Markt. Außerdem basiert der Rubelkurs auf der Tatsache, dass es schwierig ist, innerhalb Russlands eine Verwendung für Devisen zu finden, da die Importe deutlich zurückgegangen sind.
Quellen: