Finanzsanktionen und Taktiken sie zu umgehen
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffes auf die Ukraine und den daraus resultierenden Sanktionen Amerikas, der EU und der Schweiz sind erhoffte Wirkungen und unerwünschte Nebenwirkungen von Sanktionen ein sehr aktuelles Thema. Im Rahmen unserer Artikelserie zu diesem Thema beschreiben wir in diesem Beitrag Finanzsanktionen und ihre Mitigation.
In diesem Artikel beschreiben wir die blau unterlegten Themenpunkte rund um Finanzsanktionen mit Auswirkung auf Inlands- und Auslandsdevisen.
Formen von Finanzsanktionen
Während bei Handelssanktionen oftmals bestimmte Güter, Länder oder Regionen sanktioniert werden, sind es bei Finanzsanktionen eher Privatpersonen, die im Fokus von Sanktionen stehen. Die aktuellen Finanzsanktionen gegen eine immer länger werdende Liste von russischen Oligarchen stehen im Zentrum der Anstrengungen Druck auf die russische Regierung auszuüben.
Im Gegensatz zu Handelssanktionen sind Finanzsanktionen für Privatpersonen, Banken und Unternehmen schwieriger zu vermeiden. Das liegt vor allem an der globalen Vernetzung der Zahlungssysteme und an der strengen Aufsicht für Banken. Dennoch gibt es auch bei Finanzsanktionen Mittel und Wege diese zu umgehen. Im weiteren Verlauf des Artikel werden wir einige dieser Taktiken anhand von Beispielen beleuchten.
Eine Ausnahme von den gezielten Finanzsanktionen gegen Privatpersonen sind Finanzsanktionen, die auf ganze Staaten und deren Zentralbanken angewendet werden. So darf die russische Zentralbank seit Ende Februar nicht mehr an den westlichen Finanzmärkten handeln und russiche Banken wurden vom SWIFT-Zahlungssystem ausgeschlossen. (Euronews, 2022)
Staaten können finanzielle Sanktionen verhängen, indem sie staatliche und zwischenstaatliche Darlehen an die Zielländer verbieten. Außerdem können Handelsfinanzierung unterbrochen werden, indem die sanktionierten Staaten als nicht kooperativ oder als primäres Geldwäscheproblem eingestuft werden. Dies schadet der Wirtschaft des sanktionierten Landes durch höhere Zinssätze und es besteht die Gefahr, dass die Finanzierung versiegt, da die Gläubiger das zusätzliche Kreditrisiko oder das Risiko, selbst sanktioniert zu werden, vermeiden wollen. Finanzielle Sanktionen zwischen Zentralbanken wirken sich auch auf den Handel aus, da die Finanzinstitute nicht mehr bereit sind, sich an der Handelsfinanzierung zu beteiligen. So kann der Handel beeinträchtigt werden, ohne dass ausdrücklich Handelssanktionen verhängt werden.
Sanktionen können auch in Form des Einfrierens von Vermögenswerten verhängt werden. Das Vermögen des sanktionierten Ziels, sei es eine natürliche Person, juristische Person oder ein Staat wird zurückgehalten oder „eingefroren“, damit das sanktionierte Ziel nicht auf sie zugreifen oder sie nutzen kann. Dies geschieht meist in Form von eingefrorenen Bankkonten oder anderen Vermögenswerten. Diese Sanktionen entziehen den sanktionierten Personen ihr Geld.
Am Beispiel des Rubelkurses kann sehr deutlich erkennen, wie effektiv die finanziellen Sanktionen zwischen Zentralbanken die Wirtschaft eines sanktionierten Landes beeinflussen können. Die russische Zentralbank hat bereits seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 begonnen ihre Auslandsreserven aufzustocken. So war die russische Zentralbank 2014 mit umgerechnet knapp 270 Milliarden USD in ausländischen Währungen investiert. Am 24. Februar 2022 tauchte dann ein Tweet auf, der angeblich die Aufstellung der russischen Auslandsdevisen auf über 630 Milliaren USD beziffert. Durch die westlichen Sanktionen, die ab Februar 2022 eingeführt wurden, sind über 60% der russischen Auslandsreserven eingefroren worden. Diese Nachricht hatte einen Kursabfall des Rubels von bis zu 42% zur Folge, den die russische Staatsbank mit einer Leitzinserhöhung von 9,5% auf 20% beantwortete. Außerdem hat die russische Regierung versucht Gaszahlungen in Rubel zu verlangen, um den Rubel zu stützen. Auch wenn die Wirkung dieser Maßnahmen nicht genau kalkuliert werden kann, so ist in der Zwischenzeit dennoch eine Stabilisierung des Rubels eingetreten . Bekam man im März zwischenzeitlich 144 Rubel pro Euro, bekommt man Ende April nur noch ca. 76 Rubel pro Euro.
Beispiele für Sanktionsvermeidung
Im Folgenden stellen wir zwei Taktiken zur Sanktionsvermeidung vor, die sehr wahrscheinlich auch von russischen Akteuren am internationalen Finanzmarkt genutzt werden, um westliche Sanktionen zu umgehen. Die erste Taktik bezieht sich auf Transaktionen zwischen Banken in Fremdwährung und hat damit einen Einfluss auf die Stärke der inländischen Währung. Die zweite Taktik ist eine Vorgehensweise, die sehr oft von sanktionierte Privatpersonen genutzt wird.
1. U-Turn-Payments für iranisches Öl
U-Turn-Payments sind Zahlungen die über mehrere Banken, länderübergreifend getätigt werden und oft in Zusammenhang mit veränderten oder fehlenden Zahlungsinformationen stehen.
Die Transaktionen werden von Bank „A“ über die Bank „B“ und „C“ in das Sanktionierte Land überwiesen. Die Bank, die Sanktionen in diesem Fall vermeidet ist Bank „A“, indem sie Geld verbotenerweise über die Banken “B“ und „C“ in ein sanktioniertes Land überweist.
Diese Taktik der Sanktionsvermeidung ist meistens damit verbunden, dass die Bank „A“ und die Bank „C“ die finale Destination des Geldes nicht angeben und die Bank „B“ somit nicht nachvollziehen kann, dass das Geld in ein sanktioniertes Land fließt.
In dem in der Grafik dargestellten Fall wird die Bank „B“ benötigt, um die für iranisches Öl erhaltene Währung in US-Dollar umzuwandeln. Iranisches Öl darf aufgrund der Sanktionen nicht in US-Dollar bezahlt werden.
Auch im Zusammenhang mit den gegen Russland verhängten Finanzsanktionen wurde diese Taktik zur Vermeidung von Sanktionen verwendet. Oft gehen die Gelder in diesen Fällen über Länder, die nicht sanktioniert sind und keine NATO Mitglieder sind.
2. Nutzung von Front oder Shell Companies
Zur Vermeidung von Sanktionen werden häufig Scheinfirmen und Mantelgesellschaften verwendet, um die Identität der Endverbraucher oder den endgültigen Bestimmungsort des Geldes zu verschleiern. Dazu eignen sich vor allem Gesellschaftsformen, die leicht zu gründen sind und die Verschleierung des Eigentümers ermöglichen. Dies gilt insbesondere für die englische Gesellschaftsform der Limited Partnership. Diese Gesellschaftsform besteht aus einem oder mehrerer General Partner, die Eigentümer einer Firma sind. Diese General Partner können allerdings auch Firmen aus dem Ausland sein, deren Eigentümer nicht erkennbar sind. Zur Eröffnung wird dann noch eine Firmenadresse benötigt, die in einem Business Center liegen kann.
Diese Gesellschaft kann vertreten durch einen angestellten Geschäftsführer Geschäfte im Vereinigten Königreich tätigen. So können zum Beispiel Immobilien, Kunstgegenstände und Luxusgüter erworbern werden, ohne dass die Privatperson, die als Finanzier hinter dem Unternehmen steckt, transparent wird.
So wurden in London zum Beispiel viele Luxusimmobilien an mittlerweile sanktionierte russische Oligarchen verkauft, ohne dass die englischen Behörden davon etwas mitbekamen. Einige dieser Immobilien wurden nun, im Zuge von Ermittlungen im Zusammenhang mit den von der englischen Regierung verhängten Sanktionen gegen Russland, beschlagnahmt.
Die Stärke einer Sanktion hängt letztendlich von den Judikativen und Exekutiven derjenigen Länder ab, die sich an die Sanktionen halten müssen. Sanktionierte Personen werden immer nach Mitteln und Wegen suchen Sanktionen zu umgehen. In der Vergangenheit ist ihnen das oft gut gelungen. Es bleibt fraglich, ob sich die Judikativen und Exekutiven in Zukunft besser auf Sanktionen einstellen werden.
Die Wirksamkeit der Sanktionen gegen Russland sind aktuell noch schwer bewertbar. Insgesamt hat die EU bisher 748 und die USA sogar 1082 Sanktionen gegen russische Bürger, Politiker, Firmen und die russische Zentralbank verhängt. Auf der einen Seite haben die Sanktionen, laut Statista, ein Sinken der Wirtschaftsleistung Russlands von 9,7% zur Folge. Auf der anderen Seite ist die Importleistung Russland aus China mit einem Wachstum von 23,7% auf einem Allzeithoch. Solange China die Sanktionen des Westens unterläuft, bleibt für die russische Wirtschaft ein Schlupfloch.
Quellen:
Finanzsanktionen gegen Russland einfach erklärt (finanzwende-recherche.de)
Matthew C. Klein auf Twitter: „https://t.co/a5x7GNcwSF https://t.co/lCapgSiKEM“ / Twitter
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/krieg-in-der-ukraine/eu-sanktionen-2007964
https://de.statista.com/infografik/26985/anteil-der-importe-russlands-aus-den-wichtigsten-lieferlaendern/
https://de.statista.com/themen/9109/sanktionen-gegen-russland/#topicHeader__wrapper