Wie nachhaltig sind Kryptowerte?
Für das Schürfen von Kryptowährungen sind hohe Rechenleistungen erforderlich, die viel Energie verbrauchen. Müssen nachhaltige Investments deshalb grundsätzlich auf Kryptowerte verzichten oder lässt sich der Konflikt auflösen?
Höhe des Stromverbrauches für Kryptowerte
Immer mehr Menschen ist es wichtig, Gelder in nachhaltige Finanzprodukte zu investieren. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) beschäftigt sich intensiv mit Green Finance und hat daher zu Beginn des Jahres einen Klimastresstest für Banken gestartet. Parallel dazu erfreuen sich Kryptowährungen wie der Bitcoin steigender Beliebtheit.
Beides scheint in einem Widerspruch zu stehen, da Kryptowerte massiv Strom verbrauchen. Dies stammt aus den hohen Rechenleistungen, die inzwischen notwendig sind, um eine Kryptoeinheit zu erzeugen. Schätzungsweise ist der Stromverbrauch für das weltweite Schürfen von Kryptowährungen von 2017 bis 2019 von 4,8 Terrawattstunden (Twh) auf 73,12 Twh gestiegen (Corbet, Lucey, & Yarovaya, 2020). Für 2022 wird schon allein der Stromverbrauch für Bitcoin auf 125,1 TWh geschätzt und entspräche damit 25% des Stromverbrauchs Deutschlands (Statista, 2022).
Kritiker virtueller Währungen sehen darin eine der größten Schwächen, da die Energieproduktion mit Umweltproblemen einhergeht. Befürworter entgegnen, bereits jetzt stamme ein hoher Energieanteil aus regenerativen Quellen. Zusätzlich würden viele Bitcoin-Farmen gezielt überschüssigen grünen Strom aufkaufen.
Standorte weltweit
Bis Juni 2021 ist der größte Anteil an Bitcoins in China geschürft worden. Ab diesem Zeitpunkt ist die chinesische Regierung massiv dagegen vorgegangen und Rechenzentren mussten schließen.
Zum Stand August 2021 haben sich die weltweit installierten Bitcoinminer auf die folgenden Länder verteilt:
Abbildung 1: Verteilung nach Ländern (de Best, 2022)
Die Mining-Aktivitäten konzentrieren sich damit auf Staaten, die stark auf fossile Energieträger setzen.
Welche Länder langfristig attraktiv sein werden, hängt maßgeblich davon ab, wie hoch die Energiepreise dort jeweils sein werden. Schätzungen gehen davon aus, dass sich das Schürfen erst unterhalb eines Preises von 0,14$/kWh lohnt (Corbet, Lucey, & Yarovaya, 2020). Je nachdem, über welche Ressourcen ein Land verfügt, kann dieser kritische Wert über verschiedene Energiequellen erreicht werden.
Aktueller Einsatz regenerativer Energiequellen
Teilweise bemühen sich Schürfer, auf umweltschonende Energiequellen zu setzen. Die meisten in den Vereinigten Staaten erzeugten Bitcoins stammen aus Texas, dem US-Bundesstaat, in dem der höchste Anteil an Windkraftanlagen installiert ist. Bitcoinminer tragen aktiv dazu bei, das dortige Stromnetz stabil zu halten, indem sie gezielt überschüssigen Windstrom aufkaufen. Herrscht Flaute, wird die Rechenleistung reduziert. Außerdem gibt es in den Staaten New-Mexico, Texas und North Dakota die Praxis, auf abgelegenen Ölfeldern Bitcoins zu generieren. Hierbei wird der Strom aus Gas erzeugt, das andernfalls abgefackelt worden wäre.
Kryptowährungen könnten insgesamt regenerativer werden, dazu müssten Rechner in Länder verlegt werden, deren Energiemix auf erneuerbaren Quellen basiert. Dabei gelten aber auch Restriktionen: Kleine Länder, wie Norwegen würden bei einem Ansturm schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen und müssten Strom von außen kaufen. Andere Länder, die über große Wüstenregionen (wie z.B. Australien) verfügen, eignen sich ebenfalls nicht als Eldorado für Bitcoins, da die klimatischen Bedingungen schädlich für die Computer wären. (Keller, 2022)
Wie stark die Potentiale genutzt werden, wird von den Energiepreisen in den einzelnen Ländern abhängen. Solange es Länder gibt, die die Preise anderer Länder durch den Einsatz fossiler Energieträger unterbieten können, werden diese weiterhin attraktiv sein. Zwar legen Anleger einerseits inzwischen Wert darauf, nachhaltig zu investieren, andererseits versprechen Kryptowährungen steigende Kurse, womit sie lukrativ bleiben.
Einfluss des russischen Überfalls auf die Ukraine
Mitspielen wird in der nächsten Zeit auch, wie sich der russische Angriff auf die Ukraine auswirkt. Dieser hat weltweit zu gestiegenen Energiepreisen geführt, da Russland für viele Staaten als Energielieferant ausfällt. Wie man der Abbildung entnehmen kann, finden 29% der Mining-Aktivitäten in Russland und Kasachstan statt. Außerdem wächst die Anzahl an installierten Rechenzentren in der Mongolei, seitdem Kryptowährungen in China verboten wurden (Stippler, Felix, 2021). Hier handelt es sich um Länder, die die Sanktionen gegen Russland nicht mittragen. Sie entwickeln sich daher zu potentiellen Abnehmern für überschüssige russische Kohle oder überschüssiges russisches Gas, wofür es derzeit eine geringe Nachfrage gibt. Es wäre also möglich, dass diese Staaten weitere Rechenzentren anziehen, da sie Zugang zu verbilligten Energieträgern aus Russland haben. Dies würde sich negativ auf die Umweltbilanz des Bitcoins und anderer Kryptowährungen auswirken.
Fazit
Es ist möglich Kryptowährungen auf nachhaltige Weise zu schürfen. Die bestehenden Potentiale werden zum Teil auch bereits genutzt. Trotz allem lassen sie sich noch nicht als nachhaltig klassifizieren. Das liegt vor allem daran, dass sich viele Rechenzentren in Staaten befinden, die auf einen fossilen Energiemix setzen. Leider verschärft der russische Angriff auf die Ukraine das Problem noch weiter.
Langfristig wird entscheidend sein, welche Energieformen günstig verfügbar sind. Auch haben sich in den letzten Jahren neben dem Bitcoin noch andere digitale Währungen etabliert, so sind zum Beispiel Solarcoin und Bitgreen entstanden. In beiden Systemen werden neue Werte erzeugt indem umweltfreundliches Handeln belohnt wird (Lacey, 2022). Beiden wird es wohl nicht gelingen, dem Bitcoin den Rang als Leitwährung abzulaufen, dennoch entwickeln sich hier Alternativen für umweltbewusste Investoren und eine Chance den Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und Investitionen in Kryptowerte aufzulösen. Für umweltbewußte Investoren empfiehlt es sich definitiv genau zu prüfen, woher die Energie des jeweiligen Kryptoanbieters kommt.
Literaturverzeichnis
Corbet, S., Lucey, B., & Yarovaya, L. (31. März 2020). Bitcoin-Energy Markets Interrealationships – new evidence. SSRN Electronic Journal.
de Best, R. (2022). www.statista.com. Abgerufen am 26. 04 2022 von Statista: https://www.statista.com/statistics/1200477/bitcoin-mining-by-country/
Keller, L. (25. Februar 2022). Here’s why Australia can’t use its empty desert to mine Bitcoin. FORKAST.
Lacey, R. (31. März 2022). Everything you need to know about eco-friendly cryptocurrencies. The Times.
Statista. (Februar 2022). Von https://de.statista.com/infografik/18608/stromverbrauch-ausgewaehlter-laender-im-vergleich-mit-dem-des-bitcoins/#:~:text=Bitcoin%2DStromverbrauch&text=Dieser%20bel%C3%A4uft%20sich%20Sch%C3%A4tzungen%20der,Produktion%20bei%20rund%2026.730%20Terawattstunden abgerufen
Stippler, Felix. (08. September 2021). Die neuen Lieblingsländer der Krypto-Miner. Manager Magazin.
Über den Autor:
Zum Autor: Karl Eugen Reis ist seit 2021 Consultant der CURENTIS AG und verfügt über umfangreiche Projekterfahrung im Bereich Financial Services und Anti Financial Crime. Neben diesen Tätigkeiten hat er als Assistent an einer Reihe von Projekten in der Wirtschaftsprüfung teilgenommen unter anderem bei einem Asset Quality Review (AQR) zur Vorbereitung des Bankenstresstest der Europäischen Zentralbank.