Chronologie der EU-Sanktionen gegen Russland
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffes auf die Ukraine und den daraus resultierenden Sanktionen Amerikas, der EU und der Schweiz sind erhoffte Wirkungen und unerwünschte Nebenwirkungen von Sanktionen ein sehr aktuelles Thema. Im Rahmen unserer Artikelserie zu diesem Thema beschreibt CURENTIS in diesem Beitrag die bisher verabschiedeten EU-Sanktionspakete gegen Russland und ordnet deren Wirksamkeit ein.
Die EU hat bisher 7 Sanktionspakete veröffentlicht. Diese Pakete sehen Sanktionen gegen bestimmte Wirtschaftszweige, Personen, Organisationen, sowie Firmen und Banken vor.
Dieser Artikel konzentriert sich auf die Sanktionen gegen Banken und Finanzsanktionen gegen Länder und Organisationen. Diese sind in der nachfolgenden Übersicht dargestellt.
1. Sanktionspaket (23.02.2022)
Am 23. Februar 2022 wurden erstmalig EU-Sanktionen im Zuge des Ukraine Krieges in einem EU-Amtsblatt veröffentlichet. Das Amtsblatt enthielt individuelle Sanktionen, Wirtschaftssanktionen und Beschränkungen der Finanzmärkte.
Aus Sicht der Banken und Finanzmärkte waren folgende Sanktionen folgenreich:
Beschränkungen der Fähigkeit des russischen Staates und der russischen Regierung zum Zugang zu den Kapital- und Finanzmärkten und -dienstleistungen der EU. Dies betrifft vor allem russische Staatsanleihen, um eine Refinanzierung des russischen Staates zu erschweren.
Russische Staatsanleihen dürfen ab sofort von keinem europäischen Bürger oder Institut gekauft oder gehandelt werden.
Die allgemeinen wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber Russland und den nicht mehr von der Ukraine kontrollierten Gebieten in der Kriegsregion hat zudem Auswirkungen auf die europäischen Banken. Europäische Banken mit russischen Kunden im Firmenkundenbereich müssen diese Geschäfte abbrechen und häufig als Verlust abschreiben.
Außerdem müssen Firmenkunden, die starke Geschäftsbeziehungen nach Russland haben in der Risikoeinschätzung neu geprüft werden. Das kann dazu führen, dass auch solche Kunden für ihre Hausbank nicht mehr tragbar sind.
2. Sanktionspaket (26.02.2022)
Die EU-Kommission beschloss am 26. Februar 2022, also nur drei Tage nach dem ersten Sanktionspaket, weitere Sanktionen in Kooperation mit den Vereinigten Staaten, Frankreich, Kanada, Italien, dem Vereinigten Königreich und Deutschland.
Das zweite Sanktionspaket ist für die Bankenwelt und die Finanzmärkte deutlich weitreichender als das Erste. In seinem Maßnahmenkatalog sind unter anderem folgende Sanktionen und Regelungen vorgesehen:
Ein Teilausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsdienstleistungssystem SWIFT, dem sich auch die Schweiz angeschlossen hat. Dieser Ausschluss beinhaltet so viele russische Banken, dass 70% des russischen Bankenmarktes davon betroffen sind. Die ausgeschlossenen Banken sind vor allem jene Institute, die viele Transaktionen über SWIFT ins Ausland abwickeln. Die restlichen 30% der Banken sind vor allem lokale Banken, die wenig bis gar nicht über SWIFT transferieren.
Drei Arten von Banken wurden vom SWIFT-Ausschluss ausgenommen:
- Banken, die für die Abwicklung von Zahlungen für Energielieferungen benötigt werden
- Banken, die für die Bezahlung der russischen Schulden wichtig sind
- Banken, deren europäische Partner-Kreditinstitute ansonsten in gravierende finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten.
Darüber hinaus sanktionierte die EU die Zentralbank der Russischen Föderation selbst. Das bedeutete das Einfrieren aller Vermögenswerte der russischen Staatsbank. Hierbei handelt es sich vor allem um Devisenreserven in ausländischer Währung und Gold. Insgesamt hat die russische Staatsbank 630 Milliarden US-Dollar an Gegenwert im Ausland deponiert. Der größte Teil dieser Reserve ist nun nicht mehr abrufbar.
Aufgrund des zweiten Sanktionspaketes erlebte der Rubel eine Talfahrt. Anfang Januar bekam man für einen EURO 85 russische Rubel, Mitte März waren es schon 144. Mittlerweile hat sich der Rubelkurs allerdings wieder erholt. Dieser Ausschlag zeigt aber, dass die Sanktionen Einfluss auf den Rubel genommen haben.
3. Sanktionspaket (09.03.2022)
Das dritte Sanktionspaket vom 09. März 2022 hat erstmals Auswirkungen auf Belarus:
Die Finanzsanktionen gegen Russland werden mit diesem Sanktionspaket auch für Belarus geltend gemacht. Das bedeutet:
- Ausschluss aus dem SWIFT Netzwerk der Belagroprombank, der Bank Dabrabyt und der Entwicklungsbank der Republik Belarus sowie deren belarussische Tochtergesellschaften.
- Verbote von Transaktionen mit der Zentralbank von Belarus im Zusammenhang mit der Verwaltung von Reserven oder Vermögenswerten und die Bereitstellung öffentlicher Finanzierungen für den Handel mit und Investitionen in Belarus.
- Ab dem 12. April 2022 ist die Notierung und Erbringung von Dienstleistungen in Bezug auf Aktien von belarussischen staatlichen Unternehmen an EU-Handelsplätzen verboten.
- Verbot der Lieferung von auf Euro lautenden Banknoten an Belarus.
Auch der belarussische Rubel erlebte nach dem dritten Sanktionspaket einen Einbruch, von dem er sich mittlerweile aber wieder erholt hat. Der belarussische Rubel befand sich seit Beginn des Krieges im Fallen, ehe er Mitte 2022 wieder auf Vorkriegsniveau stieg.
4. Sanktionspaket (15.03.2022)
Im vierten Sanktionspaket einigt sich die EU auf neue Sanktionen in den Bereichen Energie, Finanzen und Kreditbewertungsdienste. Daneben gibt es auch neue Handelsbeschränkungen.
Im Detail beschloss der Rat folgende Maßnahmen:
- Ein vollständiges Verbot jeglicher Transaktionen mit bestimmten russischen Staatsunternehmen in verschiedenen Sektoren des militärisch-industriellen Komplex des Kremls. Dazu zählen auch Unternehmen, deren wirtschaftliche Berechtigter ein solches russisches Staatsunternehmen ist oder die durch ein solches kontrolliert werden. Für viele europäische Unternehmen mit einer Beteiligung solcher russischen Staatsunternehmen bedeutet das die Niederlegung der wirtschaftlichen Tätigkeit, da das Unternehmen keine Überweisungen mehr durchführen oder erhalten kann.
- Ein weitreichendes Verbot von Neuinvestitionen im gesamten russischen Energiesektor, mit begrenzten Ausnahmen für zivile Kernenergie und den Transport bestimmter Energieprodukte zurück in die EU.
Neuinvestitionen der Banken, vor allem im Investment Banking, müssen also noch stärker auf eine russische Beteiligung geprüft werden. - Russland selbst und russische Unternehmen dürfen nicht mehr durch EU-Ratingagenturen bewertet werden. Auch die Erbringung einer Ratingdienstleistung für russische Unternehmen ist untersagt.
Für börsennotierte Aktiengesellschaften sind Ratings wichtig, um potenzielle Investoren von der Qualität des Unternehmens zu überzeugen. Ohne Ratings wird weniger investiert.
Neben den Beschränkungen für Investitionen in Unternehmen mit russischer Beteiligung und Energieunternehmen beschränkt die EU mit dem Verbot von Ratings auf russische Unternehmen passiv den gesamten russischen Aktienmarkt. Ein Investor oder Anleger aus Europa wird ohne entsprechende Ratings nicht in russische Unternehmen investieren, da das Risiko eines Ausfalles der Investition zu groß ist.
5. Sanktionspaket (08.04.2022)
Um Schlupflöcher zu schließen, wurden im fünften Sanktionspaket folgende Regelungen festgelegt:
- Ein allgemeines EU-Verbot der Beteiligung russischer Unternehmen an der öffentlichen Auftragsvergabe in den EU-Mitgliedstaaten. D.h. wenn EU-Gelder als Investition genutzt werden, darf kein russischen Unternehmen direkt oder indirekt an der Vergabe der Aufträge beteiligt sein.
- Der Ausschluss finanzieller Unterstützung russischer, öffentlicher Einrichtungen.
- Ein erweitertes Verbot von Einzahlungen nach Russland und Belarus. Das bedeutet, dass kein Bargeld mehr auf russische oder belarussische Konten eingezahlt werden darf. Das gilt auch für Konten russischer Unternehmen sowie russische Krypto-Wallets
- Der Verkauf von Wertpapieren, die auf EURO lauten, an russische und belarussische juristische Personen wird verboten.
- Vier weitere russische Banken, die 23 % des Marktanteils im russischen Bankensektor repräsentieren, werden vom SWIFT-System ausgeschlossen. Unter anderem ist eine der größten russischen Banken, die VTB Bank betroffen. Vor diesem Sanktionspaket wurden diese Banken nicht aufgenommen, weil sie unter die Ausnahmeregelungen im 2. Sanktionspaket fielen.
6. Sanktionspaket (03.06.2022)
Die größte russische Bank Sberbank ist bis zum 6. Sanktionspaket unter die Sonderregelung des zweiten Sanktionspaketes gefallen. Nun wird sie zusammen mit der Credit Bank of Moscow, der Russian Agricultural Bank und der belarussischen Bank für Entwicklung und Wiederaufbau vom SWIFT-System ausgeschlossen.
Damit ist nahezu das gesamte russische Bankensystem vom SWIFT Netzwerk ausgeschlossen.
CURENTIS berichtete bereits in der Vergangenheit über dieses Thema https://curentis.com/allgemein/update-ukraine-krise-was-bedeutet-der-teilausschluss-russischer-banken-aus-dem-swiftnet-fuer-deutschland/
7. Sanktionspaket (21.06.2022)
Das 7. Sanktionspaket geht im Hinblick auf die Sberbank noch einen Schritt weiter und stellt sie unter ein generelles Geschäftsverbot mit der EU. Für die EU ist das ein großer Schritt, denn es ist das erste generelle Geschäftsverbot einer russischen Bank in der EU.
So groß der Einschnitt für die EU-Sanktionspolitik ist, so gering werden wohl die Auswirkungen auf die Sberbank sein, denn die USA hatten das größte russische Geldhaus bereits Anfang April auf die Sanktionsliste gesetzt.
Die Geschäfte der EU- und US-Banken mit der Sberbank sind seitdem ohnehin kaum noch existent.
Die Europa-Tochter der Sberbank mit Sitz in Österreich hatte bereits im März ihre Geschäftstätigkeit einstellen müssen. Allerdings konnte das Institut eine Insolvenz abwenden und wird nun geordnet abgewickelt. Durch den Verkauf von Kreditforderungen könne die Bank die von der österreichischen Einlagensicherung (ESA) an die Kunden ausbezahlte Summe von 926 Millionen Euro vollständig zurückzahlen.
Fazit
Die 7 EU-Sanktionspakete umfassen nicht nur die Sanktionen im Finanzsektor, sondern noch viele weitere individuelle und wirtschaftliche Sanktionen. Noch nie zuvor hat die EU einen so umfassenden Sanktionskatalog gegen ein Land in Kraft gesetzt.
Sanktionen wie der Teilausschluss aus dem SWIFT-System, das Investitionsverbot in bestimmte Branchen, sowie das generelle Geschäftsverbot für die russische Sberbank sind Sanktionen, die in der Konsequenz vorher noch nicht auf EU-Ebene beschlossen wurden.
Jedoch zeigt das letzte Sanktionspaket gegen die Sberbank, dass die USA deutlich schneller und konsequenter Sanktionen umsetzen. Das generelle Geschäftsverbot der EU dürfte 3 Monate nach dem Geschäftsverbot aus den USA kaum noch Wirkung auf die Sberbank haben.
Die kurzfristige Wirksamkeit der EU-Sanktionen im Finanzbereich zeigt sich vor allem bei der Entwicklung des Rubels. Einschränkungen auf Ebene der Staatsbanken können den russischen Staat weiterhin empfindlich treffen. Allerdings konnte der russische Staat durch Gegenmaßnahmen den Kurs der eigenen Währung wieder stabilisieren. Wie oft das dem russischen Staat in Zukunft gelingt, bleibt fraglich. Außerdem muss der russische Staat enorme Finanzhilfen bereitstellen, um die Gegenmaßnahmen umzusetzen.
Eine langfristige Entwicklung, die die EU-Sanktionen bewirken, ist die Beschleunigung der Inflation in Russland. Gerade die erschwerten Handelsbedingungen durch den SWIFT Ausschluss und das Investitionsverbot russischer Unternehmen, haben hier aus finanzpolitischer Sicht langfristig großen Einfluss.